Geistige Enge im Religiösen
Predigt vom 4. Dezember 1831
„Siehe, ich diene dir so viele Jahre und habe niemals dein Gebot übertreten; aber nie hast du mir ein Zicklein gegeben, daß ich mit meinen Freunden hätte ein Freudenmahl halten können“ (Lk 15, 29).
Im Allgemeinen herrscht Übereinstimmung zwischen diesem Gleichnis und jenem von den zwei Söhnen im Matthäusevangelium, die ihr Vater zur Arbeit in seinen Weinberg sandte; aber sie unterscheiden sich in der Haltung, die der nach außen hin gehorsame Sohn zeigt. Beim heiligen Matthäus sagt dieser: „Ich gehe, Herr, ging aber nicht“ (Mt 21.30); im vorliegenden Gleichnis gehört er einer ganz anderen Klasse von Christen an, wenngleich auch er seine Fehler hat. Nichts beweist, daß er in seinen Worten unaufrichtig ist, obwohl er im Vorspruch sich in einer sehr unschicklichen und törichten Weise beklagt. Er gleicht beträchtlich den Arbeitern im Weinberg, die sich über ihren Herrn beklagten, obschon jene mit größerer Strenge behandelt werden. Der ältere Bruder des verlorenen Sohnes beklagte sich über die Güte seines Vaters gegen den reuigen Büßer;