Gedanken zu Allerheiligen

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Die Welt sagt uns, daß Gewißheit, Vertrauen und Zuversichtlichkeit der Sprache etwas Unchristliches seien; ist das nun die Behauptung eines Advoka­ten oder ein Urteil aus den Tatsachen? War es Zu­versicht oder Zweifel, war es Eifer oder Kälte, war es feuriger Elan oder Unentschlossenheit im Han­deln, was die Märtyrer in der Frühzeit der Kirche auszeichnete? Geschah die Ausbreitung der Religion Christi durch einen Sturm des Glaubens und der Liebe oder durch philosophische Abwägung der Ar­gumente? Schaut zurück, meine Brüder, auf die Märtyrer der Frühzeit: was waren sie? Nun, für ge­wöhnlich waren es Jünglinge, Jungfrauen, Solda­ten und Sklaven; – eine Schar heißsporniger jun­ger Menschen, die hätten am Leben bleiben kön­nen, um weise zu werden, hätten sie nicht hartnäckig darauf bestanden, zuerst zu sterben; sie haben die kaiserlichen Manifeste zerrissen, den Frieden gebrochen, die Richter zum Disput herausgefordert, sie wollten nicht eher Ruhe geben, bis sie gemein­sam mit den Löwen in eine Grube geworfen wur­den, und, wenn sie aus einer Stadt vertrieben wur­den, begannen sie in einer anderen zu predigen. So urteilte die blinde Welt über jene, die das Unsicht­bare schauten. Ja, es war die geistige Schau Gottes, die sie zu dem machte, was sie waren. Keiner wird Märtyrer für eine Schlußfolgerung, keiner wird Märtyrer für eine Meinung; der Glaube ist es, der zum Märtyrer macht. Wer die Wirklichkeit Gottes kennt und liebt, der hat nicht mehr die Macht, sie zu verleugnen; wohl mag er eine natürliche Angst vor Tortur und Tod haben, aber Einschüchterungen dieser Art zählen nicht gegenüber dem Glauben und vermögen ebensowenig über ihn, wie Staub und Schmutz dem Licht der Sonne schaden oder wie Düfte oder Stimmen ein Rad anhalten könnten, das in Bewegung ist. Die Märtyrer haben gesehen, und was konnten sie anders als reden über das, was sie gesehen hatten? Vielleicht schauderten sie vor dem Schmerz zurück, aber sie konnten sich nicht dazu zwingen, nicht zu sehen; wenn bloße Drohungen die himmlischen Wahrheiten auslöschen könnten, nur dann könnte der Schmerz die Stimme des Bekenners zum Schweigen bringen. Meine Brüder, die Welt forscht, hat einen großzügigen Geist und kennt viele Dinge; sie redet gut und tief; aber gibt es denn in dem Babel ihrer Meinungen auch nur eine, für die sie den Martertod sterben würde? Es mögen einige von ihnen wahr, andere falsch sein; sie möge doch irgendeine davon auswählen, um für sie zu ster­ben! Ihre Kinder erheben ihre Stimme und ereifern sich gewaltig gegen die Lehre, daß Gott ein Rächer sein solle; würden sie wohl lieber den Tod erlei­den als sie bejahen? Sie reden begeistert von der unendlichen Nachsicht Gottes, würden sie wohl eher dafür sterben, als sie leugnen? Wenn nicht, dann haben sie noch nicht einmal Enthusiasmus, nicht einmal Hartnäckigkeit, nicht einmal blinden Eifer noch Parteigeist einzusetzen, um ihre Meinung zu behaupten – noch viel weniger haben sie Gnade; sie reden nur auf Grund einer Meinung und einer Schlußfolgerung.

Aus DP, Bd XI, 9. Vortrag: Erleuchtende Gnade, p. 205-207.