Erkenntnis des göttlichen Willens ohne Gehorsam
3. Predigt vom 2. September 1832
Wenn ihr das wisset, so seid ihr selig, wenn ihr danach tuet“ (Jo 13,17).
Auf kein Volk und kein Zeitalter der Vergangenheit läßt sich dieses Schriftwort besser anwenden als auf dieses unser Land in heutiger Zeit. Denn so weit wir zu urteilen vermögen, hatte bislang kein Volk eine bessere Kenntnis von der Art, Gott zu dienen, von unserer Pflicht, unseren Vorrechten und unserem Lohn, als wir. Uns vor allem gilt also das Wort des Heilandes: „Wenn ihr das wisset, so seid ihr selig, wenn ihr danach tuet.“ Sicher denken nun viele von uns: das wissen wir sehr wohl. Scheinbar ist es eine Binsenwahrheit, daß es nichts bedeutet, zu wissen, was recht ist, wenn wir es nicht tun; eine Wahrheit zu altbekannt, als daß man Neues darüber sagen könnte. Über derlei Stellen der Schrift lesen wir leicht hinweg, da wir sie widerspruchslos annehmen; und so gelingt es uns, sie praktisch zu vergessen. Wissen ist nichts im Vergleich zum Tun.
2. Predigt am 21. Juli 1833
„ Das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen (Joh 1,5). Nach dem Urteil der Menge war er wie jeder andere Mensch. Obgleich empfangen vom Heiligen Geist, wurde er von einer armen Frau geboren, die ob der Überzahl der Fremden abgewiesen wurde und ihn in einem Stall zur Welt brachte. O wunderbares Geheimnis, frühzeitig offenbart, dass er selbst bei der Geburt den Willkommensgruß der Welt zurückwies! Er wuchs auf als der Sohn eines Zimmermanns, ohne Bildung, so dass seine Nachbarn, als er zu lehren begann, sich wunderten, wie einer ein Prophet werden sollte, der die Schule nicht besucht hatte und nur in einem niedrigen Handwerk ausgebildet war. Er war bekannt als der Verwandte und Freund armer Leute; so dass die Welt auf sie zeigte, als er selbst an die Öffentlichkeit trat, wie wenn die Niedrigkeit ihres Standes die Widerlegung seiner Ansprüche wäre. Er wuchs auf in einer Stadt von schlechtem Ruf, so dass sogar die Besseren zweifelten, ob etwas Gutes aus ihr kommen könne. Nein, er wollte dieser Welt weder Behaglichkeit noch Hilfe nach Ansehen verdanken: denn „die Welt ist durch ihn gemacht worden, aber die Welt hat ihn nicht erkannt“ (Joh 1,10). Er kam zu ihr als Wohltäter, nicht als Gast; nicht um von ihr zu borgen, sondern um sie zu beschenken.
1. Predigt vom August 1826
Newman hat in der Idee der Entwicklung die eigene Erfahrung einer nie abgeschlossenen Bekehrung ausgelegt und uns darin nicht nur den Weg der christlichen Doktrin, sondern den des christlichen Lebens interpretiert. Das Kennzeichen des großen Lehrers in der Kirche scheint mir zu sein, dass er nicht nur durch sein Denken und Reden lehrt, sondern mit seinem Leben, weil Denken und Leben sich in ihm gegenseitig durchdringen und bestimmen. Wenn es so ist, dann gehört Newman zu den großen Lehrern der Kirche, weil er zugleich unser Herz berührt und unser Denken erleuchtet.
Vortrag von Joseph Kardinal Ratzinger (Papst Benedikt XVI.)
Der Unendliche allein kann das Maß des menschlichen Herzens sein. Er allein kann diesem geheimnisvollen Gewoge der Gefühle und Gedanken in unserem Innern ihre Beziehung geben. „Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles liegt bloß und offen vor dem Auge dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen“ (Hebr, 4,13).
Sr. Kathleen Marie Dietz 
