Advent – an der Hand Mariens

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Maria, die Gebenedeite

„Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter“ (Lk 1, 48).

Wir feiern Maria Verkündigung, da der Engel Gabriel ge­sandt wurde, ihr zu verkünden, daß sie Mutter unseres Herrn sein solle, und der Heilige Geist über sie kam und sie mit der Kraft des Allerhöchsten überschattete. In diesem großen Geschehnis wurde ihre Vorahnung erfüllt, wie sie im Vorspruch ausgedrückt wird. Alle Geschlechter haben sie selig gepriesen. Der Engel begann mit dem Gruß; er sprach: „Gegrüßt seist du, Hochbegnadete; der Herr ist mit dir; du bist gebenedeit unter den Frauen“ (Lk 1, 28). Weiter sprach er: „Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott; siehe, du wirst in deinem Schoß emp­fangen und einen Sohn gebären und ihm den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten heißen“ (Lk 1, 30-32). Ihre Base Elisabeth war die nächste, die sie mit ihrem Ehrentitel begrüßte. Obwohl sie bei diesen Worten mit dem Heiligen Geist erfüllt war, so war sie doch weit davon entfernt, sich durch eine solche Gabe Maria gleichzustellen, ja sie wurde dadurch zu einer demütigeren und ehrfurchtsvolleren Sprache veranlaßt. „Sie rief mit lau­ter Stimme und sprach: Gebenedeit bist du unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Und woher geschieht mir dies, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“… Dann wiederholte sie: „Selig, die da geglaubt hat; denn es wird in Erfüllung gehen, was ihr vom Herrn gesagt ward“ (Lk 1, 42.43.45). Damals war es, daß Maria ihren Gefühlen Ausdruck gab in dem Lobgesang, den wir beim Magnificat anstimmen. Wie reich und mannigfaltig müssen sie gewesen sein! In ihr sollte jene Verheißung er­füllt werden, nach der die Welt Jahrtausende hindurch aus­geschaut hatte. Der Same des Weibes, der sündigen Eva angekündigt, erschien endlich nach langer Frist auf der Er­de und sollte aus ihr geboren werden. In ihr sollte das Schicksal der Welt gewendet und der Kopf der Schlange zertreten werden. Ihr wurde die größte Ehre erwiesen, die je auf einen einzelnen unseres gefallenen Geschlechtes über­tragen wurde. Gott nahm Fleisch aus ihr und ließ sich dazu herab, ihr Sproß genannt zu werden – darin besteht das tiefe Geheimnis! Sie natürlich empfand ihre eigene unaussprech­liche Unwürdigkeit, und weiter, ihr niedriges Los, ihre Un­wissenheit und ihre Schwäche in den Augen der Welt. Und sie hatte überdies – das dürfen wir wohl annehmen – jene Reinheit und Unschuld des Herzens, jenes helle Glaubens­licht, jenes hingebende Gottvertrauen: Eigenschaften, die alle jene Empfindungen zu einer uns gewöhnlichen Sterbli­chen unbegreiflichen Stärke steigerten. Unbegreiflich für uns; wir wiederholen ihren Lobgesang Tag für Tag – doch bedenkt einen Augenblick den Unterschied, wie wir ihn beten und wie sie ihn erstmals aussprach! Wir beten sogar hastig darüber hinweg und denken nicht an die Bedeutung jener Worte, die von dem höchst begnadeten, mit außeror­dentlichen Gaben überhäuften Menschenkind kamen. „Hoch preiset meine Seele den Herrn und mein Geist froh­lockt in Gott meinem Heiland. Denn er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd; denn siehe von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter. Denn Großes hat an mir getan, der da mächtig und dessen Name heilig ist. Er ist barmherzig von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten“ (Lk 1,46-50).

Nun wollen wir betrachten, in welcher Hinsicht die Jungfrau Maria gebenedeit ist: ein Titel, der ihr zuerst vom Engel und dann von der Kirche zu allen Zeiten von da bis heute gegeben wurde.

Ich weise daraufhin, daß in ihr der über Eva ausgespro­chene Fluch in Segen verwandelt wurde. Eva wurde dazu verurteilt, ihre Kinder in Schmerzen zu gebären. Nun aber wurde gerade diese Anordnung, in der das Zeichen des göttlichen Unwillens ausgedrückt war, zum Mittel, durch welches das Heil in die Welt kam. Christus hätte vom Himmel herabsteigen können, wie er dorthin zurückkehrte und wie er von dort wiederkommen wird. Er hätte einen Leib aus Erde annehmen können, wie er Adam gegeben wurde; oder er hätte wie Eva in irgendeiner anderen von Gott erdachten Weise gebildet werden können. Aber weit davon entfernt, Gott sandte seinen Sohn (wie der heilige Paulus sagt), „geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Denn es ist seine gnadenvolle Absicht gewesen, alles an uns vom Bösen zum Guten zu wenden. … Anstatt seinen Sohn vom Himmel zu senden, schickte er ihn als Sohn Marias, um zu zeigen, daß all unser Leid und all unsere Verderbnis von ihm gesegnet und umgestaltet werden kann. Gerade die Strafe für den Fall, gerade der Makel der Erbsünde erhält eine Heilung durch die Ankunft Christi.

DP II, 146-149,

Maria, die Pforte des Himmels

Maria wird die Pforte des Himmels genannt, weil der Herr durch sie vom Himmel zur Erde kam. Der Prophet Ezechiel sagt in einer Prophezeiung über Maria: „Die Pforte wird verschlossen sein und soll nicht geöffnet werden, und nie­mand wird durch sie gehen, weil der Herr, der Gott Israels, durch sie eingetreten ist – und sie wird verschlossen sein für den Fürsten, der Fürst selbst wird in ihr seinen Sitz ha­ben.“

Das Wort hat sich erfüllt; unser Heiland und Erlöser nahm Fleisch von ihr an und wurde ihr Sohn; noch mehr, sie hat einen Platz im Erlösungswerk; das Wort hat sich in ihrem Geist und Willen, so gut wie in ihrem Leib erfüllt. Eva hatte teil am Fall Adams, wenn auch Adam als unser Stammvater uns durch seine Sünde zu Sündern machte. Eva machte den Anfang und versuchte Adam. Die Schrift sagt: „Die Frau sah, daß der Baum gut zum Essen und schön für die Augen und wonnig zum Anschauen war; und sie nahm von der Frucht daran und aß und gab ihrem Mann, und er aß.“ Es entsprach Gottes Barmherzigkeit, daß, wie das Ver­derben, auch die Erlösung der Welt durch die Frau begin­nen sollte; und wie Eva den Weg zur verhängnisvollen Tat des ersten Adam eröffnete, so sollte Maria den Weg bahnen für das große Erlösungswerk des zweiten Adam, unseres Herrn Jesus Christus, der kam, um die Welt zu retten, in­dem er am Kreuze für sie starb. Darum wird Maria von den Vätern die zweite und bessere Eva genannt, denn sie tat den ersten Schritt zur Erlösung des Menschengeschlechtes, wie ihn Eva tat zu seinem Verderben.

Wie und wann hat Maria am Werk der Welterneuerung teilgenommen, und zwar zuerst teilgenommen? Es war in dem Augenblick, als der Engel Gabriel zu ihr kam und ihr die große Würde ankündigte, die ihr zugedacht war. Der heilige Paulus gebietet uns, „unsere Leiber Gott hinzugeben zu einem vernünftigen Gottesdienst“. Wir sollen nicht bloß mit den Lippen beten, fasten und Buße tun nach außen hin und in unserem leiblichen Leben keusch sein; wir müssen vielmehr gehorsam und rein sein im Geiste. So war es Got­tes Wille, daß die allerseligste Jungfrau freiwillig und mit voller Erkenntnis die Mutter des Herrn werden und nicht bloß ein untätiges Werkzeug sein sollte, dessen Mutter­schaft weder verdienstvoll noch des Lohnes wert gewesen wäre. Je höher unsere Gaben, um so größer unsere Pflich­ten. Es war kein leichtes Los, dem Erlöser der Menschen so nahe zu stehen, wie Maria später erfahren mußte, als sie mit ihm litt. Darum bedachte sie des Engels Worte, ehe sie eine Antwort gab … „Siehe, die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort!“ Durch diese Einwilligung wurde sie die Pforte des Himmels.

John Henry Newman, Betrachtungen und Gebete, p. 271-273.