Gedanken zur Fastenzeit

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Die große Lebensregel heißt, die Dinge nehmen, wie sie kommen.

Wer seinen Weg verlässt aus Angst vor den Wechselfällen des menschlichen Lebens, die ihm zustoßen, hat einen schwachen Glauben oder ein seltsam verkehrtes Gewissen, -es fehlt ihm die Großherzigkeit.

Der wahre Christ freut sich an den irdischen Dingen, die Freude be­reiten; doch so, dass er sich nichts daraus macht, wenn sie vergehen. Um keine Gaben macht er sich große Sorgen, außer um jene, die unvergänglich sind. Er ist aber zu religiös, um selbst die gerings­ten und flüchtigsten Gaben zu verachten, weil er sie als Gaben Gottes betrachtet.

Es ist wahr, dass Selbstbeherrschung, Zucht und innere Gläubigkeit sich nicht an einem Tag lernen lassen; aber wäre dem so, wozu wäre uns dann dieses Leben gegeben? Es ist uns gerade als Vorbereitungszeit geschenkt, um sie zu erlangen.

Auzug aus: Die Schrift, eine  Geschichte menschlichen Leidens, DP I, 374f.

Die wahre Bedeutung der Sünde:

Mein Gott, ich weiß, dass du das ganze Weltall sehr gut erschaffen hast, die sinnliche Welt, die wir vor Augen haben, und noch mehr die Welt vernünf­tiger Wesen. Die unzählbaren Sterne, die das Fir­mament erfüllen, und die Elemente, aus welchen die Erde geformt ist: Alle bilden in ihrem Lauf und in ihren Bewegungen eine vollkommene Harmonie. Viel höherer Art aber war die Harmonie, die nach der Erschaffung der Engel im Himmel herrschte. Vom ersten Augenblick ihres Daseins an bildeten die verschiedenen Ordnungen der Engel eine voll­kommene Harmonie und waren herrlich anzuschau­en. Und die Erschaffung der Menschen sollte ur­sprünglich diese Harmonie in einer anderen Art von Wesen fortführen.

Da zeigte sich plötzlich ein Riss, ein Schaden in dem feinen und kostbaren Gewebe – er wurde grö­ßer, immer größer…

Dieses furchtbare Übel, das einen großen Teil von Gottes Werken zerstörte, ist die Sünde. Mein Gott, das ist die Sünde in deinen Augen.

Die Verharmlosung der Schuld

Was aber ist die Sünde in den Augen der Welt? Ein ganz kleines, unbedeutendes Übel oder überhaupt keines. Nach dem Urteil des Schöpfers ist es die Sünde, die sein geistiges Werk zerstört hat; sie ist ein größeres Unheil, als wenn die Sterne ihre Bahn verließen, regellos durch die Himmel irrten und das Chaos zurückkehrte. Der schuldige Mensch aber gibt ihr milde Namen. Er leugnet sie ab. Die Welt lacht über sie und duldet sie. Gegen die ewige Stra­fe, die ihr angedroht ist, lehnt sie sich unwillig auf und eher leugnet sie Gott, der es gesagt hat, als dass sie die Hölle zugäbe. Die Welt betrachtet die Sünde als eine Art Unvollkommenheit, wie eine Unschicklichkeit, Mangel an Geschmack oder Ge­brechlichkeit.

Meine Seele, erwäge sorgsam den großen Un­terschied zwischen den Ansichten des allmächtigen Gottes über die Sünde und denjenigen der Welt! Welche von den beiden Anschauungen willst du glauben?

Ja, meine Seele, wem willst du glauben – dem Worte Gottes oder dem der Menschen? Hat Gott recht oder das Geschöpf? Ist die Sünde das größte Übel oder das kleinste? Mein Gott und Heiland, ich habe keine Bedenken, wem ich glauben soll. Du bist die Wahrheit und „jeder Mensch ist ein Lügner“ (Ps 116,11). Dir will ich glauben vor aller Welt.

Aus: Betrachtugnen und Gebete, p. 69.