Die Taufe als Wiedergeburt

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  1. Predigt

Die Taufe als Wiedergeburt

„Durch einen Geist sind wir alle zu einem Leib getauft“ (1 Kor 12, 13).

Wie es nur einen Heiligen Geist gibt, so gibt es nur eine sichtbare Gemeinschaft der Christen, die der allmächtige Gott „mit Namen kennt“ (Jo 10,3), und nur eine Taufe, welche die Menschen in sie eingliedert. Das ist im Vorspruch enthalten, der beinahe gleich lautet wie die Worte des heiligen Paulus an die Epheser: „Es gibt nur einen Leib und einen Geist, eine Taufe“ (Eph 4,4.5).  Aber es findet sich noch eine andere Lehre darin; nicht nur, daß der Heilige Geist in der Kirche ist und die Taufe den Eintritt in sie gewährt, sondern auch daß der Heilige Geist den Eintritt gewährt durch die Taufe, daß der Heilige Geist tauft; mit anderen Worten, daß jedes einzelne Glied das Gnaden­geschenk des Heiligen Geistes erhält als eine Vor­stufe, eine Bedingung oder ein Mittel, wodurch es der Kirche einverleibt wird; oder mit den Worten unseres Heilandes, daß keiner eintreten kann, außer er sei zuerst wiedergeboren.

Das geht nun weit über das hinaus, was viele gern zugeben möchten; denn ihr äußerstes Zugeständnis besteht darin, daß die Kirche die Gegenwart des Heiligen Geistes in sich hat, und daß deshalb in der Kirche sein, heißt, in dem sein, was die Gegenwart des Heiligen Geistes hat; d. h. (sozusagen) auf dem Weg des Geistes wandeln, was nur ein Zustand der Huld und des Vorrechtes sein kann. Daß aber der Heilige Geist jedem einzelnen Kind bei der Taufe verliehen wird, dies wollen sie nicht zugestehen. Man möchte zwar glauben, zum Beweis dafür könne es keine klareren Worte als die des Vorspruchs geben; sie jedoch gestehen es nicht ein.

Diese fehlerhafte Auffassung vom Sakrament der Taufe — ich darf mich nicht scheuen, es so zu nennen — wollen wir nun betrachten, und zwar betrachten in ihrem Zusammenhang mit einer gängigen Begründung der Kindertaufe. Wie berechtigt diese Begründung gelegentlich sein mag, so ist sie doch heutzutage kaum von Nutzen, da sie den betreffenden Irrtum eher zu begünstigen scheint: Ich meine die geläufige Parallele zwischen Taufe und Beschneidung.

Es ist unleugbar, daß die Beschneidung in einigen bedeutsamen Punkten der Taufe gleicht und zur Veranschaulichung billiger – ja nützlicherweise mit ihr verglichen werden kann. Die Beschneidung war der Eintritt in den jüdischen Bund und versinnbildete die Absage an das Fleisch. In dieser Hinsicht gleicht sie der Taufe. Und daher hat sie zur Begründung der Kindertaufe gedient, da sie selbst an Kindern vorgenommen wurde. Obwohl sie aber der Taufe in mancher Hinsicht ähnlich ist, so gleicht sie dieser in anderen weit wichtigeren Dingen nicht. Wenn man sie also zur ausschlaggebenden und vollgültigen Begründung der Kindertaufe bei Christen heranzieht, so besteht Grund zu der Besorgnis, dieser Umstand könnte eine ungenügende Denkart über ein christliches Sakrament oder hervorrufen. Und das mag, so fürchte ich, heutzutage zutreffen.

Wir taufen Kinder in erster Linie, weil die Kirche es immer getan hat; und, ganz zu schweigen von der Pflicht, das zu beobachten und weiterzugeben, was wir empfangen haben, wären wir besonders im Fall eines so großen Vorrechtes wie es die Taufe ist, wirklich undankbar und gefühllos, wenn wir unseren Kindern die Segnung des Brauches vorenthielten, selbst auch dann noch, wenn die Schrift kein Wort über die Frage sagte, nichts dafür und nichts dagegen. Außerdem glauben wir aber, in den Worten unseres Heilandes den Befehl zu entdecken, die Kinder zu Ihm zu bringen, damit Er sie segne. Ferner sagte Er, daß sie Glieder Seines Reiches sein würden; auch, daß die Taufe der einzige Zugang, die Neugeburt hierfür sei. Wir spenden daher Kindern die Taufe als eine sichere Segnung für ihre Seelen.

Aber selbst wenn Leute es ablehnen, die Lehre zu­zugeben, daß kleine Kinder durch die Taufe wiedergeboren werden, so sehen sie sich doch um, wie sie die Kindertaufe verteidigen könnten, die sie viel­leicht aus Gewohnheit, Rücksicht oder anderen Gründen nicht aufgeben möchten. Indessen, der her­gebrachte und klare Sinn der Kindertaufe ist der, ihnen die Vergebung der Sünden und die Gabe des Heiligen Geistes zu sichern — eben die Wieder­geburt. Wenn ihnen aber dieses heilige Gnaden­vorrecht in der Taufe nicht gegeben würde, warum, könnte man fragen, sollte ihnen die Taufe über­haupt gespendet werden? Warum dann nicht war­ten, bis sie die Bedeutung des Ritus verstehen und sie glauben und bereuen können? Es scheint doch gewiß ein sehr verworrenes und unvernünftiges Vorgehen zu sein, wenn man zuerst Nachdruck legt auf die Notwendigkeit der Reue und des Glaubens der Täuflinge, und dann in der Folge doch all­gemein die Taufe in einer Weise spendet, bei der die Möglichkeit, zu bereuen und zu glauben, aus­geschlossen ist. Ich meine also, das wäre befrem­dend und inkonsequent, wäre die Taufe nicht in sich ein unmittelbarer Segen, vor dem alle abstrakten Forderungen notgedrungen weichen müssen schon aus Nächstenliebe, wenn die Eltern die Taufe für ihre Kinder verlangen. Wir spenden sie, sobald wir beim Empfänger kein wirkliches Hindernis ent­decken, das seine Wirksamkeit vereitelt, gerade wie wir dem Kranken Medizin geben. Andernfalls be­steht der Einwand zurecht; und daher kommen scharfsinnige Leute, die die erneuernde Kraft der Taufe bei den Kindern leugnen, oft zu dem Schluß, daß ihre Spendung eine nutzlose und unnötige Handlung, ja eine Entweihung einer heiligen Ein­richtung sei. Es kommt ihnen wie ein Hohn vor, wenn man sie tauft, wie die Vergeudung eines erbau­lichen Ritus, um nicht zu sagen eines Sakramentes, an solche, die ihn nicht verstehen noch sich zunutze machen können; und um die Wahrheit zu sagen, sie scheinen vernünftig und folgerichtig in ihrer Schlußfolgerung zu sein, wenn man ihre Vorder­sätze zugibt. Es hat demnach den Anschein, als ob die, welche die Wiedergeburt der Kinder abstrei­ten, sie nicht taufen sollten, wenn sie folgerichtig wären (was sie glücklicherweise nicht sind). Wenn wir aber nach der Schrift gehen, ist die Frage gewiß sofort entschieden; denn niemand kann leugnen, daß in der Schrift weit mehr gesagt ist zugunsten des Zusammenhanges von Taufe und göttlicher Gnade als über die Pflicht der Kindertaufe. Im Neuen Testament kann kaum eine Stelle genannt werden, wo auf die Taufe Bezug genommen ist ohne die direkte oder indirekte Erwähnung der übernatürlichen Einwirkungen. Was haben wir also für ein Recht zu trennen, was Gott verbunden hat? Da anderseits kein Text sich finden läßt, der klar die Kindertaufe zur Pflicht macht, so soll, wenn Lehre und praktische Ausführung — Wiedergeburt und Kindertaufe —, unvereinbar sind, die prak­tische  Ausführung, von der nichts in der Schrift steht, der Lehre weichen, die darin steht. Lieber wollen wir (wenn wir das auf uns nehmen können) die Kinder um die Taufe betrügen, als die Taufe um ihre übernatürliche Kraft; lieber wollen wir der Überlieferung als der Schrift zuwider handeln. Da dies die Schwierigkeit ist, die denen entgegensteht, die die Wiedergeburt leugnen, jedoch an der Kin­dertaufe festhalten möchten, wollen wir im folgen­den sehen, wie sie ihr begegnen.
Wir brauchen nicht anzunehmen — das soll zuerst klar gesagt sein — daß alles, was ich hier dartue, einem jeden durch den Kopf geht, der leugnet, daß die Kinder in der Taufe wiedergeboren werden. Gewiß aber sind einige Gedankengänge solcher Art dabei, daß wir sie zu unserem Nutzen erörtern können. Ich weise nun darauf hin, daß die teils mutmaßliche, teils wirkliche Parallele zur Beschnei­dung tatsächlich bewußt oder unbewußt denen eine Art Zuflucht gewährt, die diese Mittelstellung zwi­schen katholischer Lehre und häretischer Praxis eingenommen haben. Sie benützen das Beispiel der Beschneidung als Beweis dafür,  daß  eine gott­gesetzte Einrichtung keine Gnade zu vermitteln braucht, selbst wenn sie den Zutritt zum Bund der Gnade gewährt; und sie folgern aus der Analogie zwischen Beschneidung und Taufe, daß das, was für eine mosaische Einrichtung galt, auch für die christliche gelte. Die Beschneidung gewährte Zu­tritt zu gewissen Vorrechten, zu den Gnadenmit­teln, zur Unterweisung und dergleichen; die Taufe, meinen sie, tut das gleiche und nichts mehr. Sie hat auch den gleichen Zweck wie die Beschneidung, denn sie lehrt die Notwendigkeit der inneren Hei­ligung und begreift die ursprüngliche Verderbnis unserer Natur mit ein. Im nämlichen Sinne sollte sie den Kindern gespendet werden, da auch die Be­schneidung unter dem Gesetz so gespendet wurde. Ich bestreite nicht, daß diese Ansicht in sich folge­richtig und verlockend ist. Sie wäre auch vollkom­men zufriedenstellend als Ansicht, wäre sie schrift­gemäß. Aber der klare Einwand gegen sie lautet: Christus und Seine Apostel verknüpfen mit der Taufe eine Gnade, die im Alten Testament nicht mit der Beschneidung verknüpft ist. Diese Gnade bedingt genau jenen Unterschied, der die letztere zu einem bloßen Ritus macht, die erstere zu einem Sakrament. Ist dem aber so, dann hat es keinen Sinn, einen Beweis auf die Annahme zu bauen, daß die beiden Einrichtungen genau das gleiche seien. Wir haben ohne Zweifel großenteils den Unter­schied zwischen den jüdischen und christlichen Ein­richtungen vergessen. Man sagte in alter Zeit nach Sankt Paulus: „Das Gesetz ist ein Schatten, das Evangelium ein Bild, der Himmel ist die Wirklich­keit“; oder mit anderen Worten: von jenen himm­lischen Gütern, welche die jüdische Heilsordnung vorbildete, vermittelt die christliche einen Teil oder ein Angeld. Das also ist der Unterschied zwischen unserem Ritual und dem mosaischen. Die jüdischen Riten enthielten keinen eigentlichen Segen in sich; sie waren nur äußere Zeichen und Vorbilder geist­licher Gnadenvorrechte. Sie hatten nicht in sich „Gnade und Wahrheit“ (Jo 1,17). Sobald die gött­liche Erfüllung kam, standen sie einfach nur im Weg; sie verbargen nur vor dem Auge des Glau­bens die Wirklichkeit, zu deren Einführung sie dienlich gewesen waren. Sie waren wie die Vor­reiter in einem Umzug, die die Ankunft ihres Für­sten ankündigen und sich dann zurückziehen, damit sie ihm den Weg nicht versperren. Nicht diese allein, sondern alle bloßen Zeremonien waren da­her für immer unangebracht, reine Hindernisse, die das göttliche Licht aufhielten. Doch während Chri­stus sie als Sühnemittel, als bloße Bekenntnis­zeichen und prophetische Vorbilder dessen ab­schaffte, was nicht mehr zukünftig war, ersetzte Er sie durch eine andere Art von Einrichtungen: durch Mysterien, wie man sie bisweilen nennt, darunter die Sakramente, d. h. durch Riten, die wertlos und kraftlos in sich sind wie die jüdischen, aber Werk­zeuge, was die jüdischen nicht waren, um Seine Verdienste den einzelnen Gläubigen zu vermitteln. Obwohl Christus jetzt zur Rechten Gottes sitzt, hat Er in einem gewissen Sinn die Welt nie mehr ver­lassen, seitdem Er zum erstenmal in sie eintrat; denn durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes ist Er tatsächlich auf verborgene Weise unter uns gegenwärtig und immer teilt Er Sich denen mit, die Ihn suchen. Selbst als Er, der Menschensohn, sicht­bar auf Erden weilte, war Er immer noch „im Him­mel“; und jetzt ist Er immer noch auf der Erde, obwohl Er zur Höhe aufgestiegen ist; und da Er noch bei uns ist, obwohl Er im Himmel weilt, so ist auch die Stunde Seines Kreuzes und Leidens immer mystisch gegenwärtig, obschon seither achtzehn­hundert Jahre vergangen sind. Zeit und Raum spielen keine Rolle in dem geistlichen Reich, das Er gegründet hat; und die Riten Seiner Kirche sind gleichsam geheimnisvolle Zaubersprüche, wodurch Er diese beiden aufhebt. Sie sind nicht wie die jüdi­schen Einrichtungen von ermüdender Länge, auf­wendig oder lästig, ohne Wert oder Verdienst in sich: sie sind so einfach, so kurz, von so geringem äußerem Aufwand, daß unser Geist keinen Augen­blick lang von Dem ferngehalten wird, der durch sie wirkt, sondern sie für das nimmt, was sie wirk­lich sind, und sie sind nur insoweit äußerlich, wie ihnen dies als Trägern der himmlischen Gabe dien­lich ist. So leuchtet Christus durch sie ohne Hinder­nis, als wären sie durchsichtige Körper. Er ist das Licht und das Leben der Kirche, wirkend durch sie, von Seiner Fülle spendend, alle ihre Teile ver­knüpfend und zusammenfügend; und diese ihre Mysterien sind nicht bloß äußere Zeichen, sondern (sozusagen) ein Erguß Seiner Gnade, der sich in äußeren Formen entfaltet, wie Engel es tun mögen, wenn sie Menschen erscheinen. Er hat sie angerührt und angehaucht, als Er sie einsetzte; und fortan ha­ben sie eine Kraft in sich, die hervorbricht und sie ganz umgibt, sobald das Auge des Glaubens das stoffliche Element in ihnen völlig durchdrungen hat. Ein für allemal ist Christus am Kreuz gehan­gen und aus Seiner durchbohrten Seite ist Blut und Wasser geflossen, aber durch die Wirksamkeit des Geistes fließen jetzt immerfort Blut und Wasser, als ob Sein Kreuz wirklich unter uns aufgerichtet wäre und das Taufwasser nur ein äußeres Bild wäre, das unseren Sinnen begegnet. So ist im wah­ren Sinn jenes Wasser nicht, was es zuvor war, sondern es ist mit neuen und geistigen Eigenschaf­ten ausgestattet. Nicht als ob seine stoffliche Sub­stanz, die unser Auge sieht, verändert wäre, noch als ob ihm irgendeine neue Natur mitgeteilt wäre, aber der lebensspendende Geist, der aus Steinen Brot machen und das Leben des Leibes mit Staub und Asche nähren könnte, wendet uns hier durch das Wasser das Blut Christi zu; oder nach der Lehre des Vorspruches: Er Selbst ist der Taufende und nicht ein Mensch.

Der heilige Paulus tut uns neben anderen Stellen im zweiten Kapitel des Kolosserbriefes diese große Wahrheit kund. Zuerst sagt er: „In Christus woh­net die ganze Fülle der Gottheit wahrhaftig, und ihr seid erfüllt in Ihm, der das Haupt jeder Herr­schaft und Macht ist“ (Kol 2,9.10). Hier wird uns die überaus erhabene und beseligende Botschaft von der Menschwerdung als der Eckstein des gan­zen kirchlichen Gebäudes geoffenbart; denn „das fleischgewordene Wort“ ist der von Gott bestimmte Weg, der uns zur Wiedergeburt und Rettung führt. Der Apostel fährt dann fort, die Art und Weise zu beschreiben, wie diese göttliche Fülle uns mitgeteilt wird, und dabei stellt er die jüdische Zeremonie der Beschneidung der geistlichen Einrichtung gegen­über, die jene verdrängt hat. „In welchem“, in Christus, „ihr auch eine Beschneidung habt, nicht mit der Hand gemacht“, sondern eine himmlische, übernatürliche und unsichtbare, „wenn ihr ablegt den Leib des sündigen Fleisches und“ die wahre Beschneidung „erhaltet, die Beschneidung Christi, d. h. mit Ihm begraben werdet in der Taufe“ (Kol 2,11.12). So ist die Taufe eine geistige Beschnei­dung. Er fährt noch klarer fort. „Darum soll euch niemand richten wegen Speise und Trank oder in Hinsicht eines Festtages oder eines Neumondes oder der Sabbate. Diese sind ein Schatten der zu­künftigen Dinge, der Leib aber ist Christi.“ Wenn demnach die Taufe nur ein äußerer Ritus wäre wie die Beschneidung, was für eine seltsame Begrün­dung für das Verdrängen aller äußeren Riten durch das Evangelium würde mit der Behauptung gege­ben, daß es zur Taufe verpflichtete! Er sagt: „Ihr habt die Taufe, daher denkt nicht an die Schatten“, als ob er sagen wollte, die Taufe nimmt den Platz von Schatten ein, aber gewiß nicht als Schatten, sondern als Wirklichkeit. Ferner sagt er: „Der Leib aber ist Christi.“ Die Beschneidung ist ein Schatten, aber die Taufe und die anderen Mysterien der Kirche sind „der Leib“ und das, weil sie „Christi“ sind. Und endlich spricht er von der Pflicht, „am Haupte festzuhalten“, nämlich an Christus, „von dem der ganze Leib genährt und durch Sehnen und Bänder zusammengehalten wird und an Wachstum in Gott zunimmt“. Was sind diese Sehnen und Bänder anderes als die christlichen Riten und Äm­ter samt denen, die sie ausüben? Beachtet aber, sie sind so beschaffen, daß sie dem „Wachstum“ der Kirche dienen.

Das ist die Lehre des heiligen Paulus nach Christi Tod; der heilige Johannes der Täufer lehrt das gleiche zuvor. „Ich taufe euch zwar im Wasser zur Buße, Er aber wird euch mit dem Heiligen Geiste und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11). Ohne Zweifel liegt hier eine Anspielung auf die besondere Herab­kunft des Heiligen Geistes an Pfingsten vor; aber selbst bei dieser Auffassung wird also die Erfül­lung der Worte des Täufers für uns ein Unterpfand bis zum Ende der Zeit für die Erfüllung der Worte unseres Heilandes an Nikodemus. Er, der an Pfingsten im Feuer kam, wird nun, wie Er gesagt hat, im Wasser kommen. Wir können aber mit gutem Grund gerade diese Worte des Täufers in ihrer Be­ziehung zu der gewöhnlichen christlichen Taufe wie auch zu der wunderbaren Taufe der Apostel be­trachten. Was du an jener wahrnimmst, ist zwar Wasser, aber das ist nur das untergeordnete Ele­ment daran, denn es ist ein mit hohen und über­natürlichen Eigenschaften ausgestattetes Wasser. Würde es dich nicht überraschen, wenn Wasser wie Feuer brennete? Dies und mehr als dies ist das Ge­heimnis jenes Wassers, welches über dich ausgegos­sen wird und einen durchdringenden und wirk­samen Einfluß auf die Seele selbst hat.

Falls nun jemand sagt, solche Stellen brauchten nicht all das zu bedeuten, was ich angenommen habe, so entgegne ich, daß es sich nicht darum han­delt, was sie bedeuten sollen, sondern was sie wirk­lich bedeuten. Ich beschäftige mich jetzt nicht damit, die Lehre von der Taufe zu beweisen, sondern zu erklären und aus der Schrift zu beleuchten.

Doch kehren wir zurück. Daher wird auch der Tauf­brunnen „das Bad der Wiedergeburt“ genannt, nicht des bloßen Wassers, „und die Erneuerung des Heiligen Geistes, den Er reichlich auf uns ausgegos­sen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland“ (Tit 3,5.6)  und von Christus heißt es, daß Er „die Kirche geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen und zu reinigen im Wasser­bad durch das Wort, und Sich die Kirche herrlich zu gestalten“ (Eph 5,25—27).

Ferner wollen wir uns die Berichte über die Spen­dung der Taufe in der Apostelgeschichte ansehen. Wenn sie eine so bedeutende heilige Handlung ist, als die ich sie dargestellt habe, dann muß sie sicher als etwas Großes hingestellt und mit Schauer und Dankbarkeit empfangen worden sein. Im folgen­den werden wir diese Erwartung völlig erfüllt sehen. So sagte Sankt Petrus am Pfingsttag zu der Menge, die fragte, was sie tun müsse: „Tuet Buße, und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet empfangen die Gabe des Heiligen Geistes“ (Apg 2,38). Daher „wurden jene, die freudig sein Wort annahmen, getauft“, um diese Vorrechte zu erhalten; und alsbald hören wir, „daß sie in Freude und Herzenseinfalt Gott beharrlich priesen“ (Apg 2,41.46.47). Ferner, als der äthiopische Kämmerer von Philippus getauft worden war, „zog er freudig seines Weges“ (Apg 8,39). Nachdem Sankt Paulus vom Heiland, den er verfolgte, zu Boden gestreckt und nach Damaskus gesandt worden war, begann er zu beten; obwohl er aber in einem gewissen Sinn bereits ein Verwandelter war, so hatte er doch die Gabe der Wiedergeburt noch nicht empfangen und er erhielt sie erst aus den Händen des Ananias, den Christus ausdrücklich zu ihm sandte, damit er mit dem Heiligen Geist erfüllt werde“ (Apg 9,17). Demgemäß sprach Ananias zu ihm: „Und nun, was zögerst du? Steh auf, laß dich taufen und wasche deine Sünden ab, nachdem du angerufen den Na­men des Herrn“ (Apg 22,16). Kornelius wiederum, so gottesfürchtig er auch war, und das zweifellos mit Gottes geheimer Hilfe, wurde doch erst durch die Taufe in die Familie Christi aufgenommen. Selbst die wunderbare Herabkunft des Heiligen Geistes auf ihn und seine Freunde während der Predigt des heiligen Petrus ersetzte nicht die Not­wendigkeit des Sakramentes2. Und endlich, als der Kerkermeister zu  Philippi getauft worden war, „freute er sich, daß er mit seiner Familie zum Glau­ben an Gott gekommen war“ (Apg 16,34).

Diese und ähnliche Stellen scheinen klar den Vor­rang der Taufe, weil sie ein Sakrament ist, vor der Beschneidung zu beweisen; aber bewiesen sie es nicht, zu welchem Schluß wären wir gekommen? Zu keinem anderen als diesem, daß die Taufe das gleiche ist wie die Beschneidung, also nur eine irdische Einrichtung (wenn man das sagen darf), kein übernatürlicher Besitz. Seht, was daraus fol­gen würde. Erinnert ihr euch nicht, wie überaus gering der heilige Paulus die Riten des jüdischen Gesetzes einschätzt, aus dem Grund, weil sie Ele­mente dieser Welt, irdische Einrichtungen sind? Wenn nun die Taufe völlig das gleiche ist wie die Beschneidung, könnte jene dann im Neuen Testa­ment einen höheren Platz einnehmen als diese? Der eigentliche Mangel des mosaischen Gesetzes be­stand darin, daß es nur äußere Form war; einen Teil der Knechtschaft der Juden bildete die Tat­sache, daß sie unter äußere Formen gestellt waren, die in sich keine direkte oder innere Kraft besaßen, sondern geistlichen Nutzen nur brachten, insofern man ihnen gehorchte um des Gewissens willen und insofern sie als Mittel prophetischer Unterweisung dienten. Das nun kann sicher niemals unsere Lage unter dem Evangelium sein. Der heilige Paulus sagt:  „Solange wir Kinder waren“, d. h. Juden, „waren wir den Elementen der Welt dienstbar; als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott Seinen Sohn, gebildet aus einem Weib, … damit wir an Kindes Statt angenommen würden. Und weil ihr Kinder seid, so sandte Gott den Geist Seines Soh­nes in eure Herzen, der da ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,3.6). Ist es also möglich, daß wir jetzt, da der Geist gekommen ist, leblosen Riten und Einrichtun­gen unterstehen sollen? Es ist einfach unmöglich. Wenn also die Taufe keine übernatürliche Kraft in sich hätte, könnte sie dann für uns Christen gel­ten? Hätte sie keine wiederbelebende Kraft, dann handelten gewiß nur jene folgerichtig, die sie völlig verwerfen. Ich will es kühn sagen, wir haben nichts Lebloses und Irdisches im Neuen Bund, und wenn wir uns etwas Derartigem unterwürfen, handelten wir wie die judaisierenden Christen der alten Zeit; daher denken nur jene folgerichtig, die, weil sie die Kraft der Taufe leugnen, auch ihre Gültigkeit als bleibende Einrichtung des Evangeliums leugnen. Sicher war die Beibehaltung der Beschneidung nur für die Anfänge der Kirche gedacht, solange die Christen sich ihrer Anhänglichkeit an ein Ritual noch nicht entwöhnt hatten. Sicher war sie nur eine orientalische Sitte, erbaulich für jene, die eine symbolische Gottesverehrung liebten, aber nutzlos, ja schädlich für uns; schädlich, weil sie das Vor­recht der christlichen Freiheit hemmt, unseren Blick auf die alleinige Sühne Christi verdunkelt, die Schlichtheit unseres Glaubens und Vertrauens ver­dirbt und das Heilswerk des Geistes entweiht! Ich wiederhole, entweder ist die Taufe ein Werkzeug des Heiligen Geistes oder sie hat im Christentum keinen Platz. Wir zwar, die wir in Übereinstim­mung mit der Lehre der Gesamtkirche glauben, daß sie ein Werk des Geistes ist, haben in dieser Bezie­hung keine Schwierigkeit. Jene aber, die es bestrei­ten, mögen selber zusehen. Sie folgen ihren eigenen Grundsätzen und begehen so die Sünde der Galater und trennen sich von Christus. Gewiß, wenn sie ihre Lehre für richtig halten, so mögen sie wissen, daß die Worte des heiligen Paulus an jene frühe­ren Judaisierer an sie gerichtet sind: „0 ihr unver­ständigen Galater“, so hätte er wohl zu ihnen ge­sagt, „wer hat euch bezaubert? Seid ihr so töricht, nun im Fleische vollenden zu wollen, was ihr im Geist begonnen habt? Warum belastet ihr euch mit bloßen Zeremonien, äußeren Waschungen, den Ele­menten der Welt, den bloßen Schatten des Guten, mit schwachen, armseligen und unnützen Elemen­ten, wozu sehnt ihr euch danach, in Knechtschaft zu leben? Stehet fest in der Freiheit, womit Christus uns frei gemacht hat und laßt euch nicht ver­stricken in das Joch der Knechtschaft. Geistliche Menschen sind befreit von äußeren Riten. Wenn ihr getauft seid, wird Christus euch nichts nützen; denn weder die Taufe frommt etwas, noch ihr Mangel, sondern der Glaube, der durch die Liebe wirkt. Weder die Taufe frommt etwas, noch ihr Fehlen, sondern die Neuschöpfung; und alle, die wandeln nach dieser Vorschrift, Friede und Barm­herzigkeit über sie und über das Israel Gottes“.

Das ist zweifellos die einzig folgerichtige Art, diese heilige Einrichtung zu betrachten und zu behan­deln, wenn sie nicht mehr Kraft oder Gnade in sich trägt als ein jüdischer Ritus. Wir sollten sie ab­schaffen. Und in dem Maße, wie wir sie für unnütz halten, sollten wir sie abschaffen. Wenn wir sie bei Kindern nur für eine Zeremonie halten, aber für ein Sakrament bei Erwachsenen, dann sollten wir davon absehen, das an Kinder zu vergeuden, was ihnen später als Erwachsenen eine Wohltat er­wiese. Und das gilt für alle Einrichtungen der Kirche. Insofern sie nur äußere Formen sind, soll man sie als Teil des toten Judentums abschaffen. Aber ,gepriesen sei Gott! keine davon ist das. Sie alle haben Leben in sich. Christus hat die Kraft in Seiner Kirche niedergelegt, und sie teilt von ihr aus in allen ihren Worten und Werken. Warum wollt ihr das nicht glauben? Was erreicht ihr mit einem so mißtrauischen und knauserigen Geist, mit einer „solch langsamen Fassungskraft“ (Lk 24,25) ande­res als den Verlust von Gedanken voll des Trostes und der Herrlichkeit? Christus betrachten, wie Er auf nahezu sichtbare Weise geoffenbart ist — auf Seine heiligen Riten schauen, nicht wie sie in sich sind, sondern als auf die Zeichen Seiner Gegen­wart und Macht, als auf die Sprache Seiner Liebe, als auf die wahre Gestalt und das Antlitz Dessen, der uns allezeit sieht, uns allezeit umhegt — Ihn so geoffenbart sehen in Herrlichkeit Tag für Tag — bedeutet dies nicht für jene, die daran glauben, ein unaussprechliches Gnadenvorrecht? Ist dies nicht so groß, daß es jemand schon wegen seiner Er­habenheit für wahr halten und jene glücklich schät­zen möchte, die es empfangen können? Und wenn das alles klar in der Schrift geoffenbart ist, wenn uns ausdrücklich gesagt wird, daß Christus uns durch Wasser reinigt, um uns in eine herrliche Kirche umzugestalten, daß das verwandelte Brot Sein Fleisch ist, daß Er Seinen Dienern vor Augen und inmitten Seiner Kirche ist, warum sollten wir uns zurückziehen wie Thomas, der an der Aufer­stehung unseres Herrn zweifelte? „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Jo 20, 29)! Ja, so ist es; und mag die Welt auch unseren Glauben ver­spotten, mögen jene, von denen wir etwas Besseres erwarten sollten, uns verachten, wir wollen freu­dig tragen, was nur eine kleine Beeinträchtigung unserer höchsten Glückseligkeit ist. Während sie uns des Selbstvertrauens, des Vertrauens auf unsere gottesdienstlichen Formen und der Unkenntnis des Evangeliums beschuldigen, wollen wir gedul­dig in unserem Herzen sprechen: „Du, o Gott, siehst mich: Du weißt, wir lieben nichts außer Dir und wollen auf nichts vertrauen als auf das Kreuz Christi; wir geben alles Selbstvertrauen auf und erkennen, daß wir nichts in uns selbst haben als Sünde und Elend, und achten diese Deine heiligen Riten nicht um ihretwillen, sondern als Deine und Deines Sohnes Denkmale, als Denkmale, die Er gesetzt, die Er gesegnet hat, in denen wir Ihn mit den Augen des Glaubens Tag für Tag geoffenbart sehen und durch die wir die Zurechnung jener Ver­dienste zu empfangen hoffen, die Er ein für allemal am Kreuz erwirkt hat und die unsere einzige wirk­liche Hilfe am Tag der Rechenschaft sind.“

John Henry Newman,
Pfarr- und Volkspredigten, DP III, 19,
Schwabenverlag, Stuttgart 1951, 298-314.