Alle Taten deiner Vorsehung sind Taten der Liebe

Veröffentlicht in: Gebete u. Meditationen | 0

Gottes Vorsehung

Ich bete dich an, o mein Gott, denn du hast Ziel und Weg aller Dinge, die du erschaffen hast, bestimmt. Du hast alles zu einem besonderen Ziel erschaffen und führst es diesem Ziele zu. Den Menschen hast du dazu berufen, dich zu eh­ren, dir zu dienen und zum Lohn dafür sein Glück zu fin­den: eine selige Ewigkeit der Seele und des Leibes bei dir. So hat es deine Fürsorge gewollt, und zwar für alle Men­schen. Wie deine Hand und deine Augen auf der vernunft­losen Schöpfung ruhen, so auf uns. Du erhältst alles am Leben und in Tätigkeit, damit es sein Ziel erreiche. Du siehst jedes Reptil und jedes Insekt und gibst ihm Leben, solange seine Zeit währt. Kein Sünder, kein Götzendiener, kein Gotteslästerer und Gottesleugner lebt, außer durch dich, und damit er bereue. Du sorgst voll Liebe für jedes Wesen, das du erschaffen hast, als wäre es allein in der Welt; denn du siehst jedes einzelne in jedem Augenblick, liebst es in diesem sterblichen Leben und stehst ihm mit der ganzen Fülle deiner Vollkommenheit bei, als wolltest du seiner warten und ihm um seiner selbst willen dienen. Mein Gott, ich gebe mich mit Freuden deiner Betrachtung hin und bete dich, den wunderbaren Urheber aller Dinge, zu jeder Zeit und an jedem Ort voll Liebe an.

Alle Taten deiner Vorsehung sind Taten der Liebe. Wenn du Leiden über uns kommen läßt, geschieht es aus Liebe. Alle Übel der natürlichen Welt sind zum Besten dei­ner Geschöpfe bestimmt, oder die unvermeidlichen Beglei­ter des Guten. Du wendest dieses Böse zum Guten. Du suchst die Menschen mit Leiden heim, um sie zur Buße zu führen, ihre Tugend zu mehren und ihnen nachher noch größere Güter mitzuteilen. Nichts geschieht umsonst, alles hat seinen heilsamen Grund. Du strafst, aber wenn du zürnst, bist du deiner Barmherzigkeit eingedenk. Selbst wenn deine Gerechtigkeit hereinbricht über den unbußferti­gen Sünder, der deine liebende Vorsehung verachtet hat, geschieht es aus Erbarmung für andere, um sie vor Ansteckung zu bewahren und zu warnen. Ich erkenne mit rück­haltlosem und festem Glauben, o Herr, die Weisheit und Güte deiner Vorsehung, selbst in deinen unerforschlichen Gerichten und in deinen unbegreiflichen Ratschlüssen.

O mein Gott, mein ganzes Leben war eine Kette von Gnaden und Wohltaten, die du über das unwürdigste deiner Geschöpfe ausgegossen hast. Ich habe nicht nötig, an deine Vorsehung zu glauben, denn eine lange Erfahrung erzählt mir von deiner Fürsorge für mich. Jahr um Jahr hast du mich geleitet, hast mir alle Gefahren aus dem Wege ge­räumt, hast mich geheilt, gestärkt und erfrischt, mich ertra­gen, geführt und gestützt. O verlasse mich nicht, wenn mei­ne Kräfte schwinden! Du willst mich ja nie verlassen. Ich darf fest auf dich vertrauen. So schuldbeladen ich auch bin, du wirst doch, wenn ich dir treu bleibe, mir immer bis zum Ende deine Treue in überreichem Maß bewahren. Ich darf ruhen in deinen Armen und schlafen an deiner Brust. Gib mir nur wahre Treue zu dir, vermehre sie täglich! Sie ist das einigende Band zwischen dir und mir und für mein Herz und Gewissen das Pfand, daß du, höchster Gott, mich, das ärmste deiner Kinder, nie verlassen wirst.

Aus: John Henry Newman,  Betrachtungen und Gebete, pp. 224-226