Zeugen der Auferstehung

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Lasst uns Ihn durch unser Leben verherrlichen und in allen un­seren Worten und Werken Zeugnis ablegen von Christi Leiden und Tod und Auferstehung!

22. Predigt am 24. April 1831

„Gott erweckte Ihn am dritten Tag und zeigte Ihn offen nicht dem ganzen Volk, sondern den von Gott vorher auserwählten Zeugen, auch uns, die wir nach Seiner Auferstehung von den Toten mit Ihm aßen und tranken“ (Apg 10,40.41).

Man hätte erwarten können, daß unser Hei­land bei Seiner Auferstehung von den Toten sich einer sehr großen Zahl von Leuten gezeigt hätte und besonders denen, die Ihn kreuzigten. Da­gegen wissen wir aus der Geschichte, daß dies durchaus nicht der Fall war und Er sich nur aus­erwählten Zeugen zeigte, hauptsächlich Seinen unmittelbaren Anhängern. Der heilige Petrus be­tont dies im Vorspruch. Das scheint auf den ersten Blick sonderbar. Wir neigen dazu, die Aufer­stehung Christi uns vorzustellen als eine gewisse, auffallende, sichtbare Entfaltung Seiner Herrlich­keit, so wie Gott von Zeit zu Zeit in des Moses Tagen sie den Israeliten gewährte. Wenn wir sie im Licht eines öffentlichen Triumphes betrachten, halten wir uns gern die Verwirrung und das Ent­setzen vor Augen, das Seine Mörder befallen hätte, falls Er sich auch ihnen lebend vorgestellt hätte. So denken heißt Christi Reich auffassen als ein Reich von dieser Welt, was es aber nicht ist, heißt annehmen, daß Christus damals als Welten­richter kam, während dieses Gericht erst am Jüng­sten Tage stattfinden wird, wenn tatsächlich jene Übeltäter „auf Den schauen werden, den sie durchbohrt haben“ (Zach 12,10).

Aber selbst wenn wir nicht auf der geistigen Na­tur von Christi Reich bestehen, welche der eigent­liche Grund zu sein scheint, weshalb Christus nach Seiner Auferstehung Sich nicht allen Juden zeigte, so können noch andere klare, ebenfalls lehrreiche Gründe angeführt werden. Auf einen dieser Gründe will ich euch jetzt hinweisen. Die Frage lautet: „Warum zeigte sich unser Hei­land nach Seiner Auferstehung nicht dem ganzen Volk? Warum nur den von Gott vorher auser­wählten Zeugen?“ Und meine Antwort heißt: „Das war das wirksamste Mittel, um Seine Reli­gion in der ganzen Welt zu verbreiten.“

Nach Seiner Auferstehung sagte Er zu Seinen Jüngern: „Gehet hin, bekehret alle Völker“ (Mt 28, 19): das war Sein besonderer Auftrag. Wenn es also Gründe gibt für die Annahme, daß Er mit größerer Sicherheit durch Seine Erscheinung vor wenigen als vor vielen dieses große Ziel, nämlich die Ausbreitung des Evangeliums, förderte, so ist das für eine derartige Anordnung unseres Herrn ein hinreichender Grund. Daher wollen wir dank­bar Seinen Heilsplan so annehmen, wie Er ihn uns gegeben hat.

1. Bedenket nun, welches der wahrscheinliche Er­folg gewesen wäre, wenn Er den Anblick Seiner Auferstehung öffentlich gewährt hätte. Angenom­men, unser Heiland hätte Sich so öffentlich gezeigt wie vor Seinem Leiden; hätte im Tempel und auf den Straßen der Stadt gepredigt; hätte das Land durchzogen mit Seinen Aposteln und mit der Menge, die folgte, um die Wunder zu sehen, die Er wirkte: was wäre der Erfolg davon gewesen? Natürlich der gleiche wie zuvor. Seine früheren Wunder hatten die Mehrzahl des Volkes nicht wirksam beeindruckt. Ohne Zweifel hätte auch dieses Wunder sie gelassen, wie sie waren oder schlimmer als zuvor. Sie wären im Augenblick mehr überrascht gewesen; aber warum sollte dieses Staunen andauern? Als der Gelähmte plötzlich auf Sein Wort hin geheilt wurde, war die ganze Menge voll Staunen, pries Gott und sagte voll Furcht: „Wir haben heute wunderbare Dinge ge­sehen“ (Lk 5, 26). Was hätten sie noch mehr sagen und fühlen können, selbst wenn „einer von den Toten auferstanden wäre?“ (Lk 16,31). Wahr­haftig, so verhält sich die Masse der Menschheit allzeit, sie läßt sich beeinflussen durch plötzliche Furcht, plötzliche Zerknirschung, plötzlichen Ernst, plötzliche Vorsätze, die ebenso plötzlich verschwin­den. Die ungeschulte Menschennatur führt nichts wirksam durch; und das ist von jeher die Ver­fassung der Masse. Unbeständig wie Wasser kann sie sich nicht erheben. Den einen Tag schrie sie „Hosanna“, den anderen „Kreuzige Ihn!“. Wäre unser Herr ihnen erschienen, nachdem sie Ihn ge­kreuzigt hatten, sie hätten natürlich wieder Ho­sanna gerufen; und wenn Er aufgestiegen und außer Sicht gewesen wäre, dann hätten sie doch Seine Anhänger verfolgt. Außerdem war das Wunder der Auferstehung weit mehr den Spitz­findigkeiten des Unglaubens ausgesetzt als die anderen, die unser Herr gezeigt hatte; z. B. als das der Speisung des Volkes in der Wüste. Wäre unser Herr in der Öffentlichkeit erschienen, hätten doch nur wenige Ihn berühren und sich verge­wissern können, daß Er es Selbst war. Verhältnis­mäßig wenige aus einer großen Menge hätten Ihn vor wie nach Seinem Tode so genau sehen können, daß sie vollgültige Zeugen von der Wirklichkeit des Wunders gewesen wären. Der größeren Zahl von ihnen wäre es doch offengestanden, die Tat­sache Seiner Auferstehung zu leugnen. Das ist genau der Eindruck, den der heilige Matthäus auf­zeichnet. Als Er auf einem Berg in Galiläa Seinen Aposteln und anderen erschien, allem nach viel­leicht den fünfhundert vom heiligen Paulus er­wähnten Brüdern, „zweifelten einige“ (Mt 28, 17), ob Er es sei. Wie konnte es anders sein? Diese hatten keine Möglichkeit, sich zu vergewissern, daß sie wirklich Den sahen, der gekreuzigt, ge­tötet und begraben worden war. Andere hätten, selbst wenn sie zugaben, daß es Jesus war, ge­leugnet, daß Er gestorben sei. Da sie Ihn nicht tot am Kreuze gesehen hatten, hätten sie vorschützen können, man habe Ihn abgenommen, bevor das Leben erloschen war und dann wiederhergestellt. Diese Annahme wäre eine hinreichende Entschul­digung gewesen für jene, die nicht glauben woll­ten. Der unwissende Volksteil hätte sich einge­bildet, einen Geist gesehen zu haben ohne Fleisch und Bein, wie sie Menschen eigen sind. Diese hätten das Wunder auf eine magische Täuschung zurückgeführt, wie die Pharisäer es vorher getan hatten, als sie Seine Werke dem Beelzebub zu­schrieben; und sie wären durch dessen Anblick nicht besser noch religiöser geworden, als das ge­wöhnliche Volk es heutzutage durch Erzählungen von Erscheinungen und Hexen wird.

Sicher wäre es so gewesen. Die Hohenpriester wären durchaus nicht ergriffen gewesen; und die Volksmenge wäre, so sehr auch im Augenblick, dennoch nicht dauernd ergriffen gewesen, nicht praktisch ergriffen, nicht so ergriffen, daß sie der Welt hätte verkünden können, was sie gehört und gesehen hatte, d. h. daß sie hätte das Evangelium predigen können. Das ist der Gesichtspunkt, den man im Auge behalten muß. Beachtet, der eigent­liche Grund, weshalb Christus sich überhaupt zeigte, war der, Zeugen Seiner Auferstehung zu erwecken, Diener Seines Wortes, Säulen Seiner Kirche; und wie könnte das rein natürlich je ein Volkshaufen werden?

2. Nun wollen wir andererseits die Mittel be­trachten, deren Seine göttliche Weisheit sich tat­sächlich bedient hat, um Seine Auferstehung der Ausbreitung des Evangeliums dienstbar zu machen. – Er zeigte sich offen nicht dem ganzen Volke, sondern den von Gott vorher auserwählten Zeu­gen. Zwar ist es ein allgemeines Merkmal der Weise Seiner Vorsehung, wenige zu Kanälen Sei­ner Segnungen für viele zu machen; aber in dem Fall, den wir betrachten, sind wenige ausgewählt worden, weil nur wenige (menschlich gesprochen) zur Werkzeugen gemacht werden konnten. Wie schon gesagt, war es für die Zeugen Seiner Auf­erstehung erforderlich, mit unserem Herrn vor Seinem Tode vertrauten Umgang gehabt zu ha­ben. Das war der Fall bei den Aposteln; aber das genügte nicht. Sie mußten sicher sein, daß Er es Selbst war, genau der gleiche, den sie zuvor kann­ten. Ihr erinnert euch, wie Er sie drängte, Ihn zu berühren und sich zu vergewissern, damit sie Seine Auferstehung bezeugen könnten. Das wird auch im Vorspruch nahegelegt: „von Gott vorher auserwählten Zeugen, auch uns, die wir nach Seiner Auferstehung von den Toten mit Ihm aßen und tranken“. Es war nicht nur von ihnen gefordert, daß sie Ihn bloß kannten, vielmehr sollte der Ge­danke an Ihn ihren Seelen eingeprägt sein als die einzige Triebfeder ihres ganzen zukünftigen Le­bensweges. Aber es ist nicht leicht, auf Menschen einzuwirken, daß sie zuverlässige Anwälte irgend einer Sache seien. Nicht nur die Menge ist wankel­mütig, auch die Besten erschlaffen, wenn sie nicht gedrängt, geschult und herangebildet werden zu ihrem Werk; die ungeschulte Natur kennt über­haupt keine Grundsätze.

Unser Herr schenkte demnach wenigen Seine Auf­merksamkeit, weil die vielen folgen, wenn die wenigen gewonnen sind. Diesen wenigen zeigte Er sich immer wieder. Diese stärkte, tröstete, warnte und erfüllte Er mit Seinem Geiste. Er bildete sie für Seine Zwecke, damit sie Sein Lob kundtun könnten. Dieses Sein gnädiges Vorgehen wird uns in den ersten Worten der Apostelge­schichte geschildert. „Den Aposteln, die Er aus­erwählt hatte, zeigte Er sich nach Seinem Leiden durch viele untrügliche Beweise als lebendig, in­dem Er vierzig Tage hindurch ihnen erschien und vom Reiche Gottes sprach“ (Apg 1,2.3). Über leget also, wenn wir ehrfürchtig die entscheidende Frage stellen dürfen, welcher von beiden ist sogar nach menschlicher Weisheit der wahrscheinlichere Weg, Prediger des Evangeliums für alle Völker heranzubilden: ist es die Schaustellung der Auf­erstehung vor dem jüdischen Volk insgesamt, oder diese persönliche, vertraute Vergewisserung vor einigen wenigen? Bedenket, daß diese beiden Me­thoden, so weit wir es verstehen können, unverträglich miteinander waren; denn diese Zeit des vorbereitenden Gebetes, der Betrachtung und Unterweisung, welche die Apostel vierzig Tage lang in unseres Herrn sichtbarer Gegenwart ver­brachten, wäre ihnen nicht zuteil geworden, wenn sie Ihm in der Öffentlichkeit von Ort zu Ort ge­folgt wären, – selbst angenommen, daß es einen Zweck gehabt hätte – und sich unter die geschäf­tige Menge der Welt gemischt hätten.

3. Ich habe bereits angedeutet, – fast zu klar, um noch dabei zu verweilen – daß unser Herr, indem Er nur wenige zu Dienern Seines Erbar­mens mit der ganzen Menschheit auserwählte, nach der allgemeinen Weise Seiner Vorsehung gehan­delt hat. Bekanntlich wird jede große Verände­rung von wenigen, nicht von vielen bewirkt; durch die entschlossenen, unerschrockenen, eifrigen We­nigen. Wahr ist es, daß manchmal Gemeinschaf­ten durch ihre eigene Verderbtheit in Brüche gehen, was in gewissem Sinne eine Veränderung ohne besondere von Gott erwählte oder zuge­lassene Werkzeuge bedeutet; aber das ist eine Auflösung, kein Werk. Zweifellos kann viel von der Menge niedergerissen werden, aber nichts wird aufgebaut, es sei denn von solchen, die be­sonders für die Aufgabe geschult sind. Inmitten der Hungersnot standen Jakobs Söhne da und schauten einander an, taten jedoch nichts. Einer oder zwei, Männer von geringer äußerer Erschei­nung, aber mit dem Herzen bei ihrer Aufgabe, diese vollbringen große Dinge. Sie sind nicht vor­bereitet durch eine plötzliche Aufwallung oder durch eine gewisse allgemeine Überzeugung von der Wahrheit ihrer Sache, sondern durch eine tief eingeprägte, oftmals eingeschärfte Unterweisung; es ist selbstverständlich leichter, einige wenige zu belehren als eine große Anzahl. Somit ist es klar, daß solche Menschen immer wenige sein werden. Männer dieser Art waren es, welche die Kunde von der Auferstehung Christi über die götzen­dienerische Welt hin verbreiteten. Sie entsprachen gut der Anweisung ihres Herrn und Meisters. Ihr Erfolg beweist uns zur Genüge Seine Weisheit, die darin lag, Sich ihnen und nicht dem ganzen Volk zu zeigen.

4. Beachtet auch folgendes als weiteren Grund, warum die Zeugen der Auferstehung wenige an Zahl waren: sie standen auf der Seite der Wahr­heit. Sollten die Zeugen Männer sein, die wirklich die Wahrheit liebten und ihr gehorchten, dann konnten nicht viele ausgewählt werden. Christi Sache war die Sache des Lichtes und der Religion, daher waren Seine Sachwalter und Diener not­gedrungen wenige. Es ist ein altes Sprichwort, von den Heiden selbst anerkannt, daß „die Menge gemein ist“. Christus vertraute Sein Evangelium nicht der Menge an; hätte Er es getan, so dürften wir sogar sagen, daß diese Tatsache auf den ersten Blick einen Grund geboten hätte, an dessen gött­lichem Ursprung zu zweifeln. Was anders war die Hauptaufgabe Seines ganzen öffentlichen Wirkens, als jene Männer aus der Menge zu wählen und auszusondern, die geeignete Empfänger Seiner Wahrheit sein sollten? Als Er das Land ringsum immer wieder durchzog, Galiläa und Judäa, prüfte Er indessen der Menschen Geist. Während Er die niedrig Gesinnten verwarf, die „Ihn mit ihren Lippen ehrten, indes ihre Herzen weit von Ihm waren“ (Mt 15, 8), wählte Er besonders zwölf aus. Die Menge ließ Er eine Zeitlang als ein ehebrecherisches und sündiges Geschlecht beiseite, da Er beabsichtigte, eine letzte Probe mit der Masse zu machen, wenn der Geist käme. Aber Seine Zwölf nahm Er sogleich zu Sich und lehrte sie. Dann siebte Er sie, und einer fiel ab; die Elf ent­rannen, wenngleich wie durch Feuer. Besonders für diese Elf ist Er auferstanden; ihnen ist Er er­schienen und sie lehrte Er vierzig Tage lang; denn in ihnen sah Er die Frucht „Seiner Seelen­pein und ward satt“ (Js 53,10); in ihnen „schaute Er Seinen Samen, verlängerte Er Seine Tage und der Wille des Herrn gelang in Seiner Hand“ (Jes 53, 10). Diese waren Seine Zeugen, denn sie trugen die Liebe zur Wahrheit in ihrem Herzen. „Ich habe euch erwählt“, sagte Er zu ihnen, „und euch gesetzt, daß ihr gehet und Frucht bringet und eure Frucht bleibe“ (Jo 15,16).

Soviel nun als Antwort auf die Frage: warum erschien Christus nach Seiner Auferstehung nicht dem ganzen jüdischen Volk? Ich stelle eine Gegen­frage. Was hätte es genützt? Ein rein vorüber­gehender Triumph über die Sünder, deren Ver­urteilung der künftigen Welt vorbehalten ist. Andererseits hätte ein solches Vorgehen dem eigentlichen Ziel Seiner Auferstehung Eintrag ge­tan, ja es vereitelt: nämlich die Ausbreitung des Evangeliums über die ganze Welt durch Seine eigenen vertrauten Freunde und Anhänger. Ferner scheint diese Bevorzugung der wenigen gegenüber den vielen von der menschlichen Natur her not­wendig gewesen zu sein, da alle großen Werke nicht von der Masse, sondern von dem tiefwurzeln­den Entschluß weniger vollbracht werden; – ja, notwendig auch ob der menschlichen Verderbtheit, denn leider dürfen wir für die Sache der Wahrheit kaum die Gunst des Volkes erwarten. Und unseres Herrn Werkzeuge sind wenige, wenn aus keinem anderen Grund, so doch mindestens aus dem, daß sich nicht mehr fanden, weil es nur wenige getreue Israeliten ohne Falsch in Israel dem Fleische nach gab.

Wir wollen sehen, wieviel Anregung dieser Ge­sichtspunkt uns sowohl zur Warnung wie zum Trost bietet. Wir erkennen am Bild der jungen Kirche, was diese Kirche, soweit ein Mensch es verstehen kann, von jeher gewesen ist. Viele sind berufen, wenige auserwählt. Wir lernen über die große Gefahr nachdenken, daß wir vielleicht nicht unter der Zahl der Auserwählten sind, und wir werden ermahnt, „zu wachen und zu beten, damit wir nicht in Versuchung fallen“ (Mt 26, 41), „unser Heil mit Furcht und Zittern zu wirken“ (Phil 2, 12), Gottes Barmherzigkeit in Seiner hei­ligen Kirche zu suchen und immer zu Ihm zu beten, daß Er „an uns das Wohlgefallen Seines Willens vollführe“ (Job 3, 6) und vollende, was Er einst begann.

Außerdem werden wir aber auch getröstet; wir werden getröstet, alle unter uns, die demütig in der Furcht Gottes leben. Wer diese Vollkommenen sind, die im Schoß der sichtbaren Kirche als Hei­lige leben und ihrer Berufung völlig entsprechen, weiß Gott allein. Wir sind darüber im Dunkeln. Wir können zwar viel wissen über uns selbst und können uns einigermaßen ein Urteil bilden über die, mit denen wir gut bekannt sind. Aber über die Allgemeinheit der Christen wissen wir wenig oder nichts. Es ist unsere Pflicht, sie als Christen zu betrachten, sie so zu nehmen, wie wir sie vor­finden und sie zu lieben; auch ist es nicht unsere Sache zu erörtern, was sie in Gottes Augen sind. Ohne irgendwie auf die Frage nach Gottes ge­heimen Ratschlägen einzugehen, wollen wir diese vor uns liegende Wahrheit für einen praktischen Zweck verwenden; d. h. ich spreche zu allen, die sich bewußt sind, daß sie wünschen und versuchen, Gott zu dienen, wie immer auch ihr Fortschritt im Religiösen sein mag: zu all diesen, ob sie es wagen oder nicht und gleich in welchem Grad, den Ehrennamen eines Christen in seinem heilig­sten Sinn sich beizulegen. Alle, die der Wahrheit folgen, sind auf Seiten der Wahrheit, und die Wahrheit wird obsiegen. Wenige an Zahl, aber stark im Geist, verachtet von der Welt, bahnten sich die zwölf Apostel doch einen Weg, und wäh­rend sie litten, überwältigten sie die Macht der Finsternis und bauten die christliche Kirche auf. Alle, „die den Herrn Jesus Christus aufrichtig lieben“ (Eph 6, 24), sollen ganz sicher sein, daß bei aller scheinbaren Schwäche und Vereinsamung doch die „Torheit Gottes weiser ist als die Men­schen und die Schwachheit Gottes stärker ist als sie“ (1 Kor 3,18.19). Die Menge ist „trügerisch“ und die Weltweisen sind „eitel“; aber „wer den Herrn fürchtet, wird gepriesen werden“ (Ps 128,4). Die trefflichsten Geistesgaben dauern nur eine Zeitlang. Beredsamkeit und Gescheitheit, Scharf­sinn und Geschicklichkeit, diese empfehlen eine Sache gut und breiten sie schnell aus, aber sie stirbt mit ihnen. Sie faßt keine Wurzeln in den Herzen der Menschen und überlebt kein Ge­schlecht. Es ist der Trost der verachteten Wahr­heit, daß ihre Werke andauern. Ihrer Worte sind wenige, aber sie leben. Abels Glaube „spricht noch“ bis auf den heutigen Tag (Hebr 11, 4). Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche. Daher „erzürne dich nicht über die Bösen und ereifere dich nicht über die Übeltäter, denn wie Gras wer­den sie bald niedergemäht und wie grünes Kraut welken sie. Hoffe auf den Herrn und tue Gutes … Erfreue dich auch in Ihm, und Er wird dir geben deines Herzens Verlangen; befiehl dem Herrn dein Geschick und vertraue auf Ihn, und Er wird es lenken … Er wird deine Gerechtigkeit wie das Licht hervorbringen und dein Recht wie den Mit­tag … Besser ist dem Gerechten das wenige als die Schätze der vielen Sünder. Denn der Sünder Arme werden gebrochen, aber die Gerechten stützt der Herr … Ich sah den Gottlosen in großer Macht, er breitete sich aus wie ein grüner Lorbeer, doch er schwand dahin und siehe, er war nicht mehr; wahrlich ich suchte ihn, und sein Ort ward nicht mehr gefunden“ (Ps 36,1-6. 16. 17. 35. 36). Die heidnische Welt machte viel Aufhebens davon, als die Apostel die Auferstehung predigten. Diese und ihre Gefährten wurden ausgesandt wie Läm­mer unter Wölfe; aber sie obsiegten.

Obgleich wir nicht Zeugen der tatsächlichen Auf­erstehung Christi sind, so sind wir es doch auf geistige Weise. Durch ein vom Tod erwecktes Herz und durch eine auf den Himmel gerichtete Liebe können wir ebenso wahr wie sie und nicht nur bildlich bezeugen, daß Christus lebt. Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat das Zeugnis in sich selbst. Die Wahrheit gibt ihrem göttlichen Urheber Zeugnis durch sich selbst. Wer Gott gewissenhaft gehorcht und heilig lebt, nötigt alle um Ihn, zu glauben und zu zittern vor der unsichtbaren Macht Christi. Vor der großen Welt allerdings ist er kein Zeuge; denn nur wenige können ihn so aus der Nähe sehen, daß sie durch seine Lebensweise beeindruckt werden. Aber ein solcher offenbart seinen Nächsten die Wahrheit in dem Maß, wie sie ihn erkennen: und einige von ihnen fangen mit Gottes Gnade die heilige Flamme auf, nähren sie und geben sie weiter ihrerseits. So bahnt in dunkler Welt die Wahrheit immerhin sich ihren Weg trotz Dunkelheit, indem sie weitergeht von Hand zu Hand. Auf diese Weise behauptet sie ihren Posten auf hoher Warte, anerkannt als das Credo der Völker, die dabei zum größten Teil nicht wissen, worauf diese Wahrheit beruht, wie sie herkam, wie sie ihr Feld behauptet; und daher verachten sie dieselbe und halten es für leicht, sie zu vertreiben. Aber „der Herr ist Herrscher“. Er ist von den Toten auferstanden, „Sein Thron ist bereitet von alters her; Er ist von Ewigkeit; die Fluten erhoben ihre Stimmen, die Fluten erhoben ihre Wogen. Der Herr in der Höhe ist mächtiger als das Brausen vieler Wasser, sogar als die mäch­tigen Wellen des Meeres. Seine Zeugnisse sind ganz wahr; Heiligkeit geziemt Seinem Haus auf ewig“ (Ps 92, 2-5).

Das seien unsere Gedanken, wenn die Macht des Irrtums uns verzagen läßt. Als Ignatius, der Jün­ger des heiligen Petrus, vor den römischen Kaiser gebracht wurde, nannte er sich Theophorus; und als der Kaiser den schwachen Greis fragte, warum er sich so nenne, sagte Ignatius, weil er Christus in seiner Brust trage. Er bezeugte, daß es nur einen Gott gebe, der Himmel, Erde und Meer und alles, was darin ist, geschaffen hat, und einen Herrn Jesus Christus, Seinen Eingeborenen Sohn, „dessen Reich (fügte er hinzu) mein Anteil sein möge!“ Der Kaiser fragte, „das Reich Dessen, sagst du, der unter Pilatus gekreuzigt wurde?“ „Ja, das Reich Dessen (antwortete der Heilige), der meine Sünden in mir kreuzigte und allen Trug und alle Bosheit Satans unter die Füße derer ge­worfen bat, die Ihn in ihrem Herzen tragen: wie geschrieben steht: „Ich wohne in ihnen und wandle in ihnen“.

Ignatius war einer gegen viele, wie es der heilige Petrus vor ihm gewesen war. Er wurde getötet wie der Apostel; – aber er gab die Wahrheit weiter zu seiner Zeit. Schließlich haben wir sie erhalten. Gott verhüte es, daß wir, wiewohl schwach und einsam, sie unsererseits nicht weiter­geben! Lasset uns sie weitergeben, indem wir Ihn durch unser Leben verherrlichen und in allen un­seren Worten und Werken Zeugnis ablegen von Christi Leiden und Tod und Auferstehung!