Sinn der Heiligenfeste

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32. Predigt, am 30. November 1831

Das Fest Allerheiligen

„Ihr werdet Meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis an die Gren­zen der Erde“ (Apg 1, 8).

So groß war die Zahl der Wunderwerke, die unser Heiland auf Erden wirkte, daß nicht einmal die ganze Welt die Bücher fassen könnte, hätten sie davon berichtet. Und Seiner Wunder sind nicht weniger geworden, seitdem Er aufgefahren ist zur Höhe – es sind jene Werke höherer Gnade und bleibenderer Frucht, gewirkt in den Seelen der Menschen von der ersten Stunde bis jetzt – an den Gefangenen Seiner Macht, an den erlösten Erben Seines Reiches, die Er berufen hat durch Seinen zur rechten Zeit wirkenden Geist, und geführt von Kraft zu Kraft, bis sie erscheinen vor Seinem An­gesicht auf Sion. Gewiß, nicht einmal die ganze Welt könnte die Berichte Seiner Liebe fassen, die Geschichte all der vielen Heiligen, jener „Wolke von Zeugen“ (Heb 12,1), deren Fest wir heute begehen, Seines Eigentums, erkauft in jeglichem Zeitalter. Wir scharen sie alle zusammen auf einen Tag; wir vereinen in dem kurzen Gedenken einer Stunde alle die erlesensten Taten, die heiligsten Leben, die erhabensten Mühsale, die kostbarsten Leiden, welche die Sonne je gesehen hat. Selbst der Geringste unter diesen Heiligen gäbe Betrach­tungsstoff für viele Tage; selbst das Vorlesen ihrer Namen in unserem Gottesdienst müßte manchen Auf- und Untergang der Sonne überdauern – selbst ein Abschnitt aus dem Leben nur eines der­selben würde mehr als hinreichend sein für eine lange Predigt. „Wer kann zählen den Staub Jakobs und die Zahl des vierten Teiles von Israel?“ (Nm 23, 10). Märtyrer und Bekenner, Vorsteher und Kirchenlehrer, fromme Priester und Ordens­leute, Könige der Erde und alle Völker, Fürsten und Richter der Erde, Jünglinge und Jungfrauen, Greise und Kinder, die erlesensten Früchte jeglichen Ranges und Alters und Berufes, alle von ihnen zu ihrer Zeit eingesammelt in das Paradies Gottes. Das ist die selige Gemeinschaft, die heute in den Gottesdiensten der Kirche dem christlichen Pilger begegnet. Wir gleichen Jakob, der auf seiner Heimreise durch eine himmlische Erscheinung er­mutigt wurde. „Und Jakob zog fort des Weges, den er eingeschlagen hatte und es begegneten ihm Engel Gottes; da er diese sah, sprach er: Das ist ein Lager Gottes: und er nannte den Namen dieses Ortes Mahanaim: das ist Lager“ (Gn 32,1. 2).

Solch ein Lager zeigte sich auch dem Lieblings­apostel, wie er es beschrieb in dem Kapitel, dem die Tagesepistel entnommen ist. „Ich sah, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen: sie standen vor dem Throne und vor dem Lamme, angetan mit weißen Kleidern, und hatten Palmen in ihren Händen … Es sind die, welche aus großer Trübsal kamen und ihre Kleider gewaschen und weiß gemacht haben im Blute des Lammes“ (Offb 7,9.14).

Diese große Schar, die niemand zählen konnte, ist in das Gedenken dieses einen Tages zusammen­gefaßt, das liebreiche Gefolge der Propheten, das erlauchte Heer der Märtyrer, die Kinder der ge­samten heiligen Kirche, die von ihren Mühsalen ruhen.

Die Absicht bei der Verordnung dieses Festes ist folgende: – Einige Jahrhunderte zuvor gab es zu viele Heiligenfeste; und sie wurden ein Vorwand zur Trägheit. Ja, noch schlimmer, manche Christen gingen so weit, daß sie, anstatt Gott in Seinen Hei­ligen zu verherrlichen, in großer und fast unglaub­licher Verkehrtheit den Heiligen eine Verehrung zollten, die der Gottanbetung nahekam. Demzu­folge sah man sich genötigt, ihnen die Festtage wegzunehmen und diese nun alle miteinander ge­meinschaftlich zu begehen. Heutzutage verfallen die Menschen in das andere Extrem. Die Heiligenfeste werden jetzt, so wenig deren sind, nicht mehr gebüh­rend begangen. Das ist so der Menschen Art, immer geneigt, sich an der Pflicht vorbeizudrücken und in das eine oder andere Extrem des Irrtums zu fallen. Trag oder geschäftig, so oder so sind sie auf dem Irrweg: trag, dann vernachlässigen sie ihre Pflich­ten den Menschen gegenüber; geschäftig, dann ver­nachlässigen sie ihre Pflichten Gott gegenüber. Doch die Fehler der andern gehen uns wenig an; so wollen wir denn nicht von dem Irrtum reden, daß man die Zahl der vielen Festtagsfeiern zum Vorwand nahm, trag sein zu können, sondern lieber von dem Fehler unserer eigenen Tage, nämlich, daß man es unterläßt, sie einzuhalten und zwar unter dem Vorwand, man sei zu sehr in Anspruch genommen.

Unsere Kirche verringerte die Zahl der Heiligen- feste im Gedanken, daß es richtig sei, nur wenig zu haben; aber uns ist jeder zuviel. Denn wir als Nation neigen zur Gewinnsucht; und jeder Augen­blick, den wir nicht zum Vorteil unserer weltlichen Geschäfte ausgenützt haben, reut uns. Wir sollten ernstlich überlegen, ob diese Vernachlässigung der religiösen Verpflichtung nicht eine große nationale Sünde ist. Ich kann leicht verstehen, wie es kommt, daß ein einzelner sie übergeht. Eine beträchtliche Zahl von Leuten (z. B.) kann über ihre Zeit nicht frei verfügen. Sie sind dienstlich oder geschäftlich in Anspruch genommen und haben die Pflicht, ihrer Meister oder Arbeitgeber Aufträge, die sie von der Kirche abhalten, auszuführen. Oder sie ha­ben besondere Pflichten, die sie an das Haus fes­seln, obschon sie ihre eigenen Herren sind. Oder man darf sogar sagen, daß die Umstände, unter denen sie ihren Beruf vorfinden, sowie die Weise, wie andere ihn ausüben, eine Art Begründung da­für sein mögen, es den andern gleichzutun. An einem Heiligenfest das Geschäft ruhen zu lassen und in die Kirche zu gehen, mag ein solcher zeit­licher Verlust für sie sein, daß es ihnen in ihrem Gewissen begründet erscheint, es nicht zu tun. Ich möchte nicht zu diesem oder jenem Fall Stellung nehmen, da dies ja jeden einzelnen unmittelbar angeht. Jedoch, im ganzen gesehen, sage ich, daß es mit einer Gesellschaftsordnung nicht stimmt, wenn sie es für notwendig hält, die Anordnung der Re­ligion zu übergehen. Irgendwo muß da ein Fehler sein, und jeder von uns hat die Pflicht, für seinen Teil den Fehler auszumerzen, eine Mitschuld an den Sünden anderer zu vermeiden und sein Äußer­stes zu tun, daß auch andere sich aus der Fessel der tadelnswerten Gewohnheit lösen.

Ich möchte betonen: diese Nachlässigkeit gegen­über den religiösen Verordnungen ist ein beson­derer Fehler der jüngsten Zeiten. Es gab eine Zeit, da man das Evangelium in der Öffentlichkeit ehrte, und wo jedem einzelnen infolgedessen mehr Mög­lichkeiten zu Gebote standen, religiös zu werden. Die Einrichtungen der Kirche hatten sich dem An­gesicht der Gesellschaft aufgeprägt. Die Daten zählte man nicht so sehr nach Monaten und Jahres­zeiten, sondern nach den heiligen Festtagen. Die Welt hielt Schritt mit dem Evangelium; die staat­liche Verwaltung und das Geschäftsleben waren nach christlichem Gesetz geregelt. Ein weniges da­von ist uns heute noch geblieben; aber derlei Ge­bräuche schwinden schnell dahin. Man hält reine Nützlichkeitsgründe für genügend, um die Ord­nung der weltlichen Verbindlichkeiten umzustellen. Man hält es für einen Zeitverlust, dem Kreis­lauf des Kirchenjahres Beachtung zu schenken. Die Menschen glauben durch geschäftsmäßiges Verfah­ren und durch die daraus sich ergebende Klarheit, durch schnelle Abwicklung und Übersichtlichkeit in den weltlichen Geschäften einen Überschuß an Ge­winn erzielen zu können. Vielleicht gewinnen sie ihn tatsächlich, wenn auch nicht so viel wie sie denken; sicher aber nicht so viel, wie sie verlieren, wenn sie die religiösen Gedenktage fallen lassen. Letztere verlieren sie in der Tat; sie verlieren jene Veranstaltungen, die ihnen zu bestimmten Zeiten die Interessen eines anderen Lebens zum Bewußt­sein bringen. Aber, soll man die Wahrheit sagen, sie freuen sich oft über den Ausfall jener Einrich­tungen, die nach ihrer Meinung sich in ihre zeit­lichen Angelegenheiten aufdringlich einmischen und sie an ihre Sterblichkeit erinnern.

Oder fasset eine andere Seite unseres Gegenstandes ins Auge. Es war einmal der Brauch, die Kirchen unter Tags offenzuhalten, daß die Christen in freien Augenblicken eintreten könnten – und die Möglichkeit hätten, die weltlichen Sorgen für ein paar Minuten durch religiöse Übungen von sich abzuwälzen. Zu bestimmten Tagesstunden waren Gottesdienste festgelegt, um solchen, die sich gerade frei machen konnten, die Teilnahme daran zu er­möglichen. Die aber nicht zu kommen vermochten, konnten doch ihr Andachtsbuch bei sich haben und wenigstens von Zeit zu Zeit für sich die Gebete, die in der Kirche zur jeweiligen Stunde verrichtet wur­den, nachbeten. Auf diese Weise war für die gei­stige Nahrung der Christen Tag für Tag Vorsorge getroffen; für jenes täglich benötigte Brot, das weit höher steht, als „die vergängliche Speise“ (Joh 6,27). All das ist heute zu Ende. Wir wagen es nicht, un­sere Kirchen offenzuhalten, damit die Menschen, statt darin zu beten, sie nicht verunehren. Und gar eine genau festgelegte Gottesdienstordnung! Nur zu viele von uns sind allmählich dazu gekommen, sie zu verachten und als Formsache anzusehen. So hat sich die Welt in die Kirche eingedrängt, die mageren Kühe haben die fetten verschlungen. Uns drohen Jahre der geistigen Hungersnot, des Trium­phes der Feinde der Wahrheit und der Unter­drückung oder wenigstens Schwächung der Stimme der Wahrheit; – und weshalb? Nur weil wir jene religiösen Gebräuche im Laufe der Jahre fallen­ließen, welche die Kirche vorschreibt und deren Be­obachtung uns zur Pflicht gemacht ist, indes wir durch ihre Vernachlässigung jenen eine Art Recht­fertigung in die Hand gaben, die ihre gänzliche Abschaffung gewünscht hatten. Keine menschliche Vereinigung kann zusammenhalten ohne festge­setzte Versammlungen; Zusammenkünfte bilden bekanntlich das Wesenselement der politischen Parteien. Sehen wir also die Einrichtungen der Kirche vom rein menschlichen Standpunkt aus, wie können wir als Christen eine Macht besitzen, wenn wir die Feiern der Kirche nicht besuchen, und anderseits, welch große Macht hätten wir, kämen wir in Scharen und böten wir der Welt kühn die Stirne und zeigten wir, daß Christus immer noch treue Diener hat? Daß wir am Sonntag zur Kirche gehen, dient der Sache zweifellos gut; aber es wäre ein weit größerer Beweis für unseren Ernst gegen­über der Wahrheit, wenn wir für Christus Zeugnis ablegten auch um den Preis mancher weltlichen Unannehmlichkeit, wie dies für einige aus uns der Fall wäre an anderen Feiertagen. Könnten wir uns eine machtvollere Predigt an die Öffentlichkeit aus­denken und eine, an der die Unwissendsten und Furchtsamsten unter uns sich leichter beteiligen könnten: die Predigt, daß Christus uns ein Mahn­ruf und ein Gedenkruf ist – als wenn alle, die den Herrn Jesus Christus ehrlich lieben, es sich zur Übung machten, an den Heiligenfesten in der Woche und zu bestimmten heiligen Zeiten die Kirche zu füllen, unterdessen aber den weniger Re­ligiösen den elenden Profit überließen, den ein größerer Eifer in weltlichen Dingen ihnen zu­sichert?

Noch habe ich nicht gesprochen von dem besonde­ren Nutzen, der aus der Feier der Heiligenfeste fließt: er liegt unverkennbar darin, daß sie unse­rem Geist hervorragende Beispiele zur Nachah­mung vorstellen. Wenn die Kirche uns zu diesen hinführt, entspricht sie nur der Absicht der Schrift.

Bedenket, daß ein großer Teil der Bibel geschicht­lichen Inhalt hat; und wieviel des Geschichtlichen betrifft nur das Leben jener Männer, die in ihrem jeweiligen Zeitalter die Werkzeuge Gottes waren. Einige aus ihnen sind uns keine Vorbilder, andere weisen Merkmale jener Verderbtheit auf, der die Menschennatur im allgemeinen verfallen ist; die bedeutendsten jedoch von ihnen sind Vorbilder ungewöhnlichen Glaubens und besonderer Heilig­keit und werden uns mit der offensichtlichen Ab­sicht vor Augen gestellt, daß sie uns auf unserem religiösen Weg Ansporn und Wegführer sein sol­len. Das sind vor allem: Abraham, Josef, Job, Mo­ses, Josue, Samuel, David, Elias, Jeremias, Daniel und andere; im Neuen Testament die Apostel und Evangelisten. An erster Stelle und in Seiner eige­nen unveräußerlichen Herrlichkeit gibt uns unser gebenedeiter Herr Selbst ein Beispiel; Seine treuen Diener aber führen uns zu Ihm, bestätigen Sein Vorbild und lassen es in verschiedenster Weise sichtbar werden. Das aber war das Ziel, das sich die Kirche mit ihren Heiligenfesten setzte, diese Eigenart biblischer Belehrung grundsätzlich hoch­zuhalten und im Beispiel zu zeigen.

Wir aber haben es heute besonders nötig, durch die Beobachtung solcher Heiligentage uns auf uns selbst zu besinnen. Es ist ein Fehler unserer Zeit (die Fehler der anderen Zeiten gehen uns ja nichts an), daß wir die Vergangenheit im Vergleich zur Gegenwart verachten. Wir können kaum eine der leichteren und volkstümlicheren Tagesveröffent­lichungen aufschlagen, ohne irgendeinem Lobes­hymnus auf uns selbst zu begegnen: auf die Auf­klärung und Humanität des Zeitalters oder um­gekehrt auf geringschätzige Bemerkungen über die Weisheit und die Tugenden früherer Zeiten. Aber es ist sehr heilsam, in dieser Versuchung zur Selbst­täuschung daran erinnert zu werden, daß wir in allen hohen Eigenschaften menschlicher Würde von Menschen früherer Jahrhunderte übertroffen wur­den; daß man damals einen Maßstab für Wahrheit und Heiligkeit aufstellte, den wir wahrscheinlich nicht erreichen, und daß der Gedanke, wir seien weiser und besser und gottgefälliger als sie, ein bloßer Traum ist. Hier werden wir über den wah­ren Wert und die unterschiedliche Bedeutung der mannigfaltigen Geistesgaben belehrt. Die auf­geputzten Talente, auf die das gegenwärtige Zeit­alter so stolz ist, schwinden dahin vor dem Edel­metall der Propheten und Apostel. Sein vielgerühm­tes „Wissen“ ist nur eine „Scheinmacht“ gegenüber der quellenden Kraft des Herzens, wie jene sie zeigten, die in aller Ruhe Wunder der Tugend vollbrachten und zugleich mit ihren Lippen ge­offenbarte Weisheit verkündeten. Könnten doch St. Paul oder St. Johannes von den Toten auf­erstehen! Wie würden die winzigen Philosophen, die heute allen Geist und alle erleuchtete Tugend für sich in Anspruch nehmen, in nichts zusammen­schrumpfen gegenüber diesen gut gehärteten und scharfen Waffen des Herrn! Ist es nicht so weit mit uns  gekommen,  ist  es  nicht unsere  nationale Schande, daß wir mit Kälte und Verachtung, wo nicht auf die Apostel selber, so doch auf das kirch­liche System, das sie planmäßig aufstellten, und auf die von ihnen begründete Ordnung schauen. Wie wenige sind es, die mit Ehrfurcht und Auf­merksamkeit auf die Bischöfe unserer Kirche als die Nachfolger der Apostel blicken; sie nur ehren, wenn sie es tun, weil sie dieselben als Einzelpersonen schätzen, aber mit keinem Gedanken an die besondere Heiligkeit ihres Amtes. Sei dem wie im­mer: das Ende muß einmal kommen. Die Dinge können unmöglich so bleiben. Christi Kirche ist un­zerstörbar; und da sie alle Wechselfälle dieser Welt überdauert, muß sie sich wieder erheben und blühen, wenn die armen Tagesgeschöpfe, die sich ihr entgegenstellten, in Staub zerfallen sind. „Keine Waffe, die wider sie geschmiedet ward, hat ein Gelingen“ (Is 54,17). „Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Wenn ich gefallen, werde ich wieder auferstehen; wenn ich im Dunkeln sitze, wird der Herr mein Licht sein“ (Mich 7,8). Inzwi­schen wollen wir unsere Pflicht nicht vergessen: nach dem Beispiel der Heiligen unser Kreuz in Sanftmut auf uns zu nehmen und für unsere Feinde zu beten

Diese Gedanken sind geeignet, am Ende der Feste des Kirchenjahres (wie heute) auf uns Eindruck zu machen. Jedes Jahr hat seine Wunder. In keinem Jahr wissen wir, welche Wunder geschehen wer­den, bevor der Festkreis wieder zu Ende gegangen ist, vom St. Andreastag bis Allerheiligen. So ist es unsere Pflicht, auf die Ankunft des Herrn zu war­ten, Seine Wege vor Ihm her zu bereiten und zu beten, daß wir bei Seiner Ankunft wachend erfun­den werden; zu beten für unser Vaterland, unseren König und jede Autorität unter ihm, daß Gott in Seiner Gnade ihren Verstand erleuchte und die Herzen der Machthaber ändere und sie beeinflusse, in Seinem Glauben und in der Furcht vor ihm zu handeln; zu beten für alle Stände und Lebenslagen der Menschen und im besonderen für jenen Zweig Seiner Kirche, den Er hier gepflanzt hat. Wir wol­len bei allem erlaubten und berechtigten Abscheu gegen böse Menschen nicht vergessen, daß sie eine Seele haben und daß sie bei ihrem Widerstand gegen die Wahrheit nicht wissen, was sie tun. Wir wollen nicht vergessen, daß wir so gut wie sie Kin­der des sündigen Adam sind und mehr als andere begünstigt waren, unserem Glauben und Gehor­sam aufzuhelfen. Wir wollen nicht vergessen, daß wir mit dem gleichen Ruf zur Heiligkeit auch zum Leiden berufen sind. Und leiden wir, so wollen wir das nicht für befremdend halten angesichts der Feuerprobe, die wir bestehen müssen, noch wollen wir stolz werden ob unseres Vorrechtes zu leiden, noch auch grundlos uns Leiden verschaffen, noch auch im Übereifer etwas als Leiden um Christi wil­len ausgeben, wo wir nur um unserer Fehler willen gelitten haben oder überhaupt nicht. Möge Gott uns die Gnade geben, diese Regeln nicht nur anzu­nehmen und zu bewundern, sondern auch nach ihnen zu handeln, nichts zu sagen, nur damit es ge­sagt ist, sondern viel zu tun und wenig zu sagen.

Newman John Henry, Pfarr- und Volkspredigten, DP II, 32, Schwabenverlag, Stuttgart 1950, 432-442.